Das Westersteder Modell
Dem Innovationsstandort Deutschland droht ein massiver Mangel an Ingenieuren und Fachkräften mit technischer und naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Zur Lösung dieses Problems gibt es verschiedene Ansätze. Um jedoch eine gesellschaftliche Nachhaltigkeit zu erzielen, ist es notwendig, das Interesse an technischen und naturwissenschaftlich ausgerichteten Berufen (MINT) zu fördern.
Ein Lösungsansatz, der eine Erhöhung der Zahl von qualifizierten Fachkräften zum Ziel hat, ist ein verstärkter, hochqualifizierter und kontinuierlicher Technikunterricht an Schulen. Zusätzlich bedarf es größerer Anstrengungen, das Interesse von Mädchen für die entsprechenden Berufe zu wecken. Neben dem Abbau des Fachkräftemangels führt dieser Ansatz zudem noch zu einer Qualitätssteigerung, wodurch der Anteil der höher Qualifizierten gesteigert und der der gering Qualifizierten gesenkt werden kann.
Die Oberschule stellt sich dieser Herausforderung, indem sie ein Modell entwickelt hat, welches ermöglicht, die MINT- und speziell die technische Bildung zu optimieren.
Der Anspruch des Westersteder Modells ist, eine technische Allgemeinbildung für alle interessierten Schüler der Schuljahrgänge 5 bis 10 zu ermöglichen. Dies bezieht sich ausdrücklich auch auf die Schuljahrgänge 7 bis 10 des Gymnasialzweiges.
Das Westersteder Modell trägt besonders folgenden Punkten Rechnung:
- Weckung des Interesses am MINT-Bereich durch Praxisbezug
- spezielle Förderung der Mädchen
- frühe berufliche Orientierung
- Erhöhung der Abschlussquote und der Ausbildungsfähigkeit
- Verminderung der Abbruchquote
- Übertragbarkeit auf andere Schulen im Sekundarbereich I
Um das Interesse an Technik möglichst früh zu wecken und nachhaltig zu fördern, ist es erforderlich, eine umfangreiche und umfassende technische Grundbildung im Fächerkanon der allgemein bildenden Schulen zu etablieren.
Deshalb entwickelt die OBS ein schulinternes Curriculum für das Fach Technik, welches als Spiralcurriculum – beginnend mit dem 5. Schuljahrgang – alle Handlungsbereiche des Kerncurriculums für das Fach Technik in Niedersachsen unter mehrperspektivischen Schwerpunktsetzungen (s. Strukturmodell) in aufsteigenden Komplexitätsgraden einbindet. Bislang gibt es ein solches Spiralcurriculum für das Fach Technik landesweit noch nicht. Parallel dazu werden Unterrichtsmodule methodisch-didaktisch aufbereitet, erprobt und interessierten Schulen zur Verfügung gestellt.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die die fachliche Qualifizierung der Lehrkräfte.
In Niedersachsen sind lediglich die Universitäten Oldenburg und Hildesheim für die Ausbildung von Techniklehrkräften zuständig. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Ausbildungskapazitäten schließen aus beiden Universitäten im Laufe eines Jahres nur wenige Studenten mit dem Masterstudium ab, so dass ein Mangel an Techniklehrkräften gegeben ist. Da die OBS Fachlehrkräfte und Werkstätten für alle Technikbereiche hat, besteht die Möglichkeit, Aus- und Fortbildung von Lehrkräften an der Robert-Dannemann-Schule durchzuführen.
Zur besseren beruflichen Qualifizierung der Schüler trägt auch die Vernetzung von Schule und Wirtschaft bei. Davon profitieren sowohl die Lernenden als auch die Unternehmen.
Der Forderung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages nach Sicherung der Ausbildungsreife und einer frühzeitigen Berufsorientierung, damit der Übergang von der Schule in den Beruf besser gelingt, wird das Westersteder Modell in besonderer Weise gerecht. Die Schüler haben die Möglichkeit vom 5. bis 10. Schuljahrgang im Technikunterricht, die von Unternehmen, die in technischen Berufen ausbilden, nachgefragten Qualifikationen zu erlangen.
Die Möglichkeit, eine ihren Neigungen und Interessen entsprechende Lehrstelle zu finden, vergrößert sich erheblich. Zudem erhöhen sich die Chancen, in vielen Unternehmen eine attraktivere Ausbildungsstelle zu bekommen. Die Ausgangslage für leistungsschwächere Lehrstellenbewerber verbessert sich um ein Vielfaches. Mehr als ein Drittel der Unternehmen will dem Fachkräftemangel mit mehr Ausbildung begegnen und mehr als jedes zweite den bisherigen Ausbildungsstand im selben Umfang aufrechterhalten. Besonders kleine und mittlere Betriebe setzen auf den eigenen Nachwuchs. Die Ausbildung in den Betrieben kann eine ganz neue Qualität erhalten, wenn die Auszubildenden bereits über im Vorfeld erworbene und von den Unternehmen nachgefragte Qualifikationen verfügen.
Ein ganz entscheidendes Merkmal dieses Modells ist die äußerst flexibel zu handhabende Übertragbarkeit wesentlicher Inhalte auf andere Schulen. Damit bleibt es kein theoretisches Konstrukt, sondern ist praxistauglich, da es sich an die Möglichkeiten und Gegebenheiten der jeweiligen Schule anpassen lässt und mit ihr auf geforderte Qualifikationen der örtlichen Betriebe, die regional unterschiedlich sein können, reagiert werden kann.